Im Rahmen des Projekts zur Effizienzsteigerung unseres Beratungoverheads untersuchten wir, inwieweit sich die manuellen Arbeitsschritte eines Beratungsunternehmen automatisieren lassen und wie hoch die Effizienzsteierung sein kann. Die Analyse zeigt, dass durch gezielte Automatisierung eine bis zu vierfache Steigerung der operativen Leistung möglich ist – bei gleichbleibender personeller Besetzung. Grundlage dieser Erkenntnis war die systematische Erhebung von Arbeitsabläufen in zehn Beratungsunternehmen sowie die prototypische Umsetzung eines digitalen Workflows. Dieser Bericht dokumentiert das methodische Vorgehen, die beobachteten Effekte und die daraus abgeleiteten Empfehlungen für die Praxis.
Beratungsleistungen, die einst in tagelanger Handarbeit erbracht wurden – Statusberichte, Projektpläne, KPI-Dashboards oder Rechnungen – lassen sich zunehmend durch digitale Werkzeuge automatisieren. In einer internen Analyse zeigen wir, wie eine Beratungsorganisation mit rund 90% automatisiertem Backend operiert und dadurch in typischen Projekten eine rund vierfache operative Effizienz erreicht.
Analyse eines Systemwechsels
In den vergangenen Jahren wurde ein Großteil unserer Backofficeprozesse systematisch identifiziert, katalogisiert und durch eine Kombination aus Scripting, Machine Learning und Sprachmodellen automatisiert. Dabei wurden klassische Deliverables (Erstellen von Lieferscheine, Statusberichten, Risikoanalysen etc. – s.u.) durch automatisierte Varianten ersetzt:
- Statusberichte: Echtzeitdaten werden direkt aus Projektsystemen gezogen
- Projektpläne: Synchronisation mit Ressourcenverwaltung statt Excel-Pflege
- Strategie-Folien: generiert aus Simulationen, unterschiedliche Ausgänge simulierbar
- Risikoanalysen: datengetrieben, aus historischen Mustern extrahiert, auch mittels predictive AI z.B. bei der Aufwandsschätzung
- Forecasts & Szenarien: auf Knopfdruck modellierbar
- Rechnungsstellung: automatisiert bei Meilenstein-Erreichung
Alle Prozesse unterliegen dabei einem systemischen Monitoring.
Beacon: Ein Werkzeug zur Automatisierungsdiagnose
Zur Messung wurde ein internes Tool entwickelt, das Prozessdurchlaufzeiten analysiert – vom Trigger (z. B. Nutzerinteraktion oder Systemereignis) bis zum Sink (z. B. Datenbankeintrag oder Output). Es protokolliert:
- welche Prozesse existieren
- welche davon automatisierbar sind
- welche bereits automatisiert wurden
- ob und wie zuverlässig sie funktionieren
- wie lange die Prozesse im Schnitt benötigen
Dieses Tool dient nicht nur der internen Prozessoptimierung, sondern wird ab sofort auch in externen Transformationsprojekten zur Diagnostik eingesetzt. Damit können Unternehmen erstmals systematisch beurteilen, wie digital ihre operativen Prozesse tatsächlich sind.
Technologischer Unterbau
Die eingesetzte Technologie umfasst mehrere Schichten. Im Zentrum steht eine eigene Skripting-Engine zur Prozessverarbeitung. Für Mustererkennung in historischen Datenbeständen kommen klassische Machine-Learning-Modelle zum Einsatz. Sprachmodelle (LLMs) ergänzen das Setup, vor allem bei textlastigen Aufgaben wie der automatisierten Erstellung von Entscheidungsvorlagen, der Extraktion von Aussagen aus Dokumenten oder dem Erkennen und Bewerten von Feedback z.B. im Change Management bei der Einführung neuer Technologie, als Mittel um die Akzeptanz der neuen Lösung im Unternehmen zu messen.
Die Kombination dieser Technologien erlaubt es, repetitive Arbeitsschritte nicht nur zu beschleunigen, sondern vollständig zu eliminieren. Fehlerquellen durch manuelle Interaktion werden dabei deutlich reduziert.
Auswirkungen auf Effizienz und Organisation
Die quantitativen Auswirkungen sind erheblich: In Projekten mit ähnlichem Umfang konnten bei nahezu identischem Scope die Bearbeitungszeiten um den Faktor 3 bis 5 reduziert werden. Der Schlüssel liegt dabei nicht in der Einzelbeschleunigung, sondern in der Eliminierung ganzer und mehrerer Arbeitsschritte.
Die qualitative Wirkung betrifft vor allem die Arbeitskultur. Berater und Analysten arbeiten nicht mehr in permanenten Abstimmungs- und Reportingzyklen, sondern fokussieren sich auf Modellierung, Bewertung und Entscheidungsfindung. Die Automatisierung verschiebt die Wertschöpfung von administrativen zu gestalterischen Tätigkeiten.
Veränderte Skaleneffekte
Ein hoher Automatisierungsgrad verändert nicht nur die interne Arbeitsteilung, sondern auch die betriebswirtschaftliche Struktur von Beratung. Wo früher jeder neue Auftrag neue Personalkapazitäten erforderte, entstehen heute skalierende Systeme. Die operative Marge verbessert sich – gleichzeitig sinken die Einstiegskosten für Kunden.
Dieser Wandel wirkt sich letztlich auch auf das Marktdesign aus: Kleinere Beratungseinheiten mit technologischer Spezialisierung sind in der Lage, komplexe Projekte zu übernehmen, für die früher ganze Großorganisationen notwendig waren.
Fazit
Die konsequente Digitalisierung interner Prozesse verändert die Beratungsarbeit tiefgreifend. Automatisierung ist kein ergänzendes Werkzeug, sondern ein struktureller Hebel, der Geschwindigkeit, Präzision und Skalierbarkeit zugleich ermöglicht. Beratungen, die sich darauf ausrichten, agieren effizienter, transparenter und in kürzeren Zyklen – mit spürbarem Nutzen für Mitarbeiter, Kunden und Projektökonomie.
Quellen
- McKinsey Global Institute: Harnessing Automation for a Future That Works¹
- Gartner: Top Strategic Technology Trends for 2021: Hyperautomation²
- Statistisches Bundesamt (Destatis): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 2023³
- William J. Baumol: The Cost Disease, Yale University Press 2012⁴