In vielen IT-Projekten beobachten wir eine wiederkehrende Erwartung: Die Cloud soll nicht nur Kosten senken, sondern auch Flexibilität, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit garantieren. Doch diese Annahme ist häufig zu pauschal. Die Entscheidung für oder gegen Cloud-Dienste muss differenziert getroffen werden, insbesondere im Kontext europäischer Anforderungen an Datenschutz, Betriebssicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Fehlannahmen in der Entscheidungsfindung
Für Entscheider:innen im Mittelstand stellt sich zunehmend die Frage, ob der eigene Unternehmensserver durch eine Cloud-Lösung ersetzt werden sollte. Während Anbieter und Beratungen häufig ein klares „Pro Cloud“ vertreten, bleiben wichtige Differenzierungen aus. Die Folge sind Fehlentscheidungen: Überhöhte Betriebskosten, Abhängigkeiten von Dritten (Vendor Lock), regulatorische Unsicherheit oder unzureichende Performance.
Was ist Cloud, was ist On-Premise?
Auch wenn es sich mittlerweile herumgesprochen hat: Unter dem Begriff „Cloud“ versteht man IT-Dienste, die über das Internet bereitgestellt werden – meist durch spezialisierte Anbieter mit Rechenzentren an verschiedenen Standorten. Andere erklären es seit Jahren (IBM – Was ist Cloud Computing?). Typische Beispiele sind Microsoft Azure, Amazon Web Services (AWS) oder europäische Anbieter wie IONOS oder Scaleway. Statt eigene Server zu betreiben, mietet das Unternehmen Rechenleistung, Speicherplatz oder Software flexibel dazu. Der große Vorteil: Skalierung ist innerhalb von Minuten möglich. Auch die Wartung der Systeme liegt beim Anbieter.
On-Premise (kurz: On-Prem) beschreibt dagegen eine IT-Architektur, bei der Server und Software im eigenen Unternehmen betrieben werden. Das Unternehmen ist selbst für Betrieb, Wartung, Updates und Sicherheit verantwortlich – behält aber auch die volle Kontrolle über seine Daten und Infrastruktur. Investitionen erfolgen vorab und sind planbarer. Die Daten verlassen das Unternehmensgelände nicht, was in sicherheitskritischen Szenarien ein entscheidender Vorteil sein kann.
Wann Cloud die bessere Wahl ist
Cloud-Lösungen sind sinnvoll, wenn der Bedarf an Rechenleistung stark schwankt, beispielsweise bei datenintensiven Kampagnen oder in der Entwicklung von Softwareprodukten. Auch für international verteilte Teams, die auf eine gemeinsame Infrastruktur zugreifen, bietet die Cloud klare Vorteile. Ebenso können Unternehmen profitieren, die standardisierte Anwendungen nutzen möchten, etwa für E-Mail, CRM oder Kollaboration. Besonders relevant ist dies, wenn IT-Ressourcen im Unternehmen knapp sind oder Infrastruktur nicht zum Kerngeschäft zählt. In diesen Fällen reduziert die Cloud Komplexität.
Wann On-Premise notwendig oder sinnvoll bleibt
On-Premise bleibt jedoch relevant, wenn besonders sensible Daten verarbeitet werden, etwa im Gesundheitswesen, in Forschungseinrichtungen oder im Finanzsektor. Auch gesetzliche Auflagen können eine vollständige Datenhoheit verlangen, beispielsweise bei Vergabeverfahren oder kritischer Infrastruktur. Bei industriellen Maschinensteuerungen oder Anwendungen mit niedrigen Latenzanforderungen ist eine lokale Datenverarbeitung oft unabdingbar. Ebenso kann es aus ökonomischer Sicht sinnvoll sein, langfristig auf On-Premise zu setzen, wenn dadurch Kosten planbarer bleiben und Abhängigkeiten reduziert werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen in Europa
Besonders in Europa ist der regulatorische Rahmen ein zentrales Entscheidungskriterium. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verlangt, dass personenbezogene Daten sicher und rechtskonform verarbeitet werden. Für viele US-basierte Cloudanbieter gilt der sogenannte „Cloud Act“, der im Zweifel US-Behörden Zugriff auf Daten ermöglicht – auch wenn diese auf europäischen Servern gespeichert sind. Das führt zu juristischer Unsicherheit. Europäische Anbieter wie IONOS, Cleura oder Hetzner bieten hier eine Alternative, wenn auch mit zum Teil eingeschränktem Funktionsumfang gegenüber den US-Plattformen.
Hybride Modelle als strategische Option
Die Entscheidung zwischen Cloud und On-Premise ist keine ideologische, sondern eine strategische. Wer Prozesse differenziert betrachtet, erkennt: Es geht nicht um ein „entweder–oder“, sondern oft um ein „sowohl–als auch“. Hybride Modelle – also die Kombination aus Cloud und On-Premise – können spezifische Vorteile vereinen, erfordern aber eine durchdachte Architektur und klare Zuständigkeiten.
Fazit: Einzelfallbewertung statt Trendfolge
Für Unternehmen im Mittelstand ist entscheidend, nicht blind dem Trend zu folgen. Besser ist es, den tatsächlichen Nutzen je Anwendungsfall zu bewerten – und bewusst zu entscheiden, wo Kontrolle, wo Skalierbarkeit und wo Regulierung den Ausschlag geben.