Die Fälle häufen sich, und als Brancheninsider wäre es naiv anzunehmen, Beratungen und Dienstleister würden nicht bewusst Projekte in die Länge ziehen, verlangsamen oder aufblähen, um mehr billable hours zu generieren. Genau hier setzt das Beraterradar an. Es ist ein heuristisches System, das anhand weniger, klar messbarer Eckdaten sofort aufzeigt, ob ein Projekt stabil läuft oder ob sich Muster abzeichnen, die in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen geführt haben. Für Geschäftsführer und CEOs bedeutet das: weniger Blindflug, mehr Orientierung.
Warum ein Beraterradar nötig ist
Externe Beratungen sind fester Bestandteil strategischer Projekte. Sie können große Mehrwerte schaffen, aber immer wieder zeigen Fälle wie bei Northvolt oder AccorMittal, dass Beratungsprojekte auch erhebliche Risiken bergen. Schlagzeilen über ausufernde Kosten, endlose Digitalisierungsinitiativen oder Abhängigkeitsverhältnisse sind keine Ausnahme. Das Beraterradar will nicht Schuldige benennen, sondern Transparenz schaffen – als Frühwarnsystem, bevor sich Projekte in Neverending Stories verwandeln.
Für Entscheider ist es entscheidend, solche Risiken frühzeitig zu erkennen. Denn in der Praxis zeigt sich: Kostenexplosionen oder fehlende Ergebnisse sind selten das Resultat von Zufällen. Häufig sind es strukturelle Muster, die sich über verschiedene Fälle hinweg wiederholen. Ein Beraterradar deckt diese Muster systematisch auf.
Die fünf zentralen Risikokategorien
Das Beraterradar bewertet Beratungsprojekte entlang von fünf Kernrisiken. Erstens: das Risiko der Neverending Story, wenn Laufzeiten und Budgets regelmäßig überzogen werden und erste Ergebnisse auf sich warten lassen. Zweitens: das Risiko des Rad-neu-Erfindens, wenn Berater statt bewährter Lösungen proprietäre Frameworks entwickeln. Drittens: die Gefahr des Vendor-Lock-ins, wenn Wissen und Schlüsselkomponenten ausschließlich bei externen Teams liegen. Viertens: die Berater-Capture, wenn Präsentationen und Managementressourcen dominieren, während die Wertschöpfung stagniert. Fünftens: die Vergabepraxis, wenn Ausschreibungen auffällig eng auf bestimmte Anbieter zugeschnitten sind.
Diese fünf Dimensionen sind bewusst einfach gehalten. Sie fassen die wiederkehrenden Muster zusammen, die sich über Jahre hinweg in Beraterprojekten gezeigt haben. Gleichzeitig lassen sie sich über konkrete Kennzahlen überprüfen.
Messbare Indikatoren statt Bauchgefühl
Ein Beraterradar funktioniert nicht über subjektive Einschätzungen, sondern über klare Messpunkte. Dazu zählen etwa der Anteil nachträglicher Vertragsänderungen, das Verhältnis von Managementstunden zu operativen Leistungen, die Geschwindigkeit bis zum ersten nutzbaren Ergebnis oder die Wiederverwendungsquote bestehender Komponenten. Aus diesen Daten entsteht eine einfache Ampel: Grün signalisiert Stabilität, Gelb zeigt Handlungsbedarf, Rot weist auf deutliche Muster hin, die in vergleichbaren Fällen zu Eskalationen geführt haben. Jede Auffälligkeit ist nachvollziehbar belegt – mit Change-Request-Logs, Jira-Daten oder Vertragsdokumenten.
Wie die Heuristik im Detail funktioniert
Die Stärke des Beraterradars liegt in seiner Heuristik, die aus verschiedenen Indikatoren ein Gesamtbild formt. Wenn zum Beispiel mehr als 35 Prozent des ursprünglichen Projektbudgets durch Change Requests überstiegen werden, signalisiert das ein erhebliches Risiko einer Neverending Story. Werden erste nutzbare Ergebnisse erst nach mehr als 120 Tagen sichtbar, ist das ein weiteres Warnsignal. Ebenso kann das Verhältnis von Managementstunden zu operativen Entwicklungsstunden zeigen, ob ein Projekt von Steuerung und Präsentationen dominiert wird oder ob tatsächlich Wertschöpfung stattfindet.
Auch auf technischer Ebene sind klare Muster erkennbar. Wird für ein Standardproblem eine komplett neue Eigenentwicklung gestartet, während am Markt ausgereifte Open-Source- oder Standardlösungen verfügbar wären, deutet das auf ein Rad-neu-Erfinden hin. Solche Entscheidungen erhöhen nicht nur die Komplexität, sondern binden Unternehmen langfristig an externe Ressourcen. Ergänzend bewertet das Beraterradar, ob Exit-Klauseln in Verträgen enthalten sind, ob Dokumentation vorliegt und ob Schlüsselwissen ausschließlich beim Dienstleister liegt. Diese Faktoren fließen in die Bewertung des Vendor-Lock-ins ein.
Die Heuristik bleibt dabei nachvollziehbar. Jeder Punkt in der Bewertung hat eine Quelle, jede Ampel ein klares Fundament. Das unterscheidet das Beraterradar von reinen Meinungen oder Bauchgefühlen, die in der Vergangenheit oft zu späten Reaktionen geführt haben.
Praktischer Nutzen für CEOs und Geschäftsführer
Für Entscheider entsteht damit ein Werkzeug, das nicht nur Risiken sichtbar macht, sondern auch konkrete Gegenmaßnahmen vorschlägt. Zeigt das Radar Rot beim Thema Rad-neu-Erfinden, ist ein COTS- und Open-Source-Review sofort einzuleiten. Leuchtet es Gelb im Bereich Vendor-Lock-in, gehören Exit-Klauseln und Übergabepläne auf die Agenda. So wird das Beraterradar zu einem Steuerungsinstrument, das Projekte stabilisiert, statt sie auszubremsen.
Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit, Projekte über die Zeit zu beobachten. Anstatt erst im Krisenfall aktiv zu werden, können Führungskräfte Entwicklungen frühzeitig erkennen. Ein schleichendes Abdriften in endlose Beratungszyklen wird so sichtbar, lange bevor es zur Schlagzeile wird.
Beacon als nächste Ausbaustufe
Das Beraterradar ist ein Teil unserer Arbeit an „Beacon“, einem Tool, das Entscheider in die Lage versetzen soll, Transparenz über ihre Transformationsprojekte zu gewinnen. Schon heute ist mit dem kostenlosen Prozessbrowser eine erste Säule verfügbar. Dort lassen sich Aufwände für übliche Prozessautomatisierungen abschätzen – ein erster Schritt, um Klarheit über die wahrscheinlichen Kosten und Nutzen von Digitalisierungsmaßnahmen zu erhalten. Auf diesem Fundament soll Beacon aufbauen und langfristig ein umfassendes Steuerungssystem für Transformation und Beratung werden.
Für CEOs und Geschäftsführer bedeutet das: Sie können schon heute beginnen, mehr Transparenz in ihre Projekte zu bringen, ohne Kosten und Abhängigkeiten zu riskieren. Der Prozessbrowser liefert Orientierung, das Beraterradar ergänzt diese Perspektive und wird in Beacon zu einem ganzheitlichen Werkzeug zusammengeführt.
Von der Risikoerkennung zur Prävention
Wer die Risiken von Beratungsprojekten kennt, denkt schnell an Begriffe wie Kostenexplosion oder Projektverzögerung. Das Beraterradar ist genau dort positioniert: nicht als reaktives Werkzeug nach dem Skandal, sondern als proaktive Lösung. Es schafft die Grundlage, Beratungen gezielt dort einzusetzen, wo sie den größten Nutzen stiften. CEOs und Geschäftsführer gewinnen damit Sicherheit und die Freiheit, Transformationsprogramme unter eigener Kontrolle zu halten – ohne den Schatten endloser Abhängigkeiten.
Fazit
Die Risiken von Beratungsprojekten sind real und gut dokumentiert. Aber sie müssen nicht hingenommen werden. Mit einem Beraterradar erhalten Entscheider ein pragmatisches Frühwarnsystem, das aus klaren Heuristiken Orientierung gewinnt. In Verbindung mit Beacon entsteht so eine neue Qualität der Steuerung: weg von reaktiver Krisenbewältigung, hin zu proaktiver Risikoprävention. Für Unternehmen bedeutet das mehr Sicherheit, mehr Kontrolle und letztlich mehr Erfolg in ihren Transformationsprogrammen.
Quellen
- Bundesrechnungshof: Bericht zur externen Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Verteidigungsministerium (2018)
- McKinsey Quarterly: Studien zu Transformationsprojekten und Erfolgsfaktoren (verschiedene Jahrgänge)
- Eigene Analysen aus Projektdaten und typischen IT-Governance-Kennzahlen