Der amerikanische AI Action Plan ist ein umfassendes Regierungsprogramm, das die technologische Führung der USA im Bereich Künstliche Intelligenz sichern soll. Schon in der Einleitung wird deutlich: Es geht um globale Dominanz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und nationale Sicherheit. Drei Pfeiler strukturieren den Plan: Beschleunigung von Innovation, Aufbau von Infrastruktur und internationale Diplomatie und Sicherheit. Die Strategie ist auf Geschwindigkeit, Deregulierung und enge Verzahnung von Industrie und Regierung ausgerichtet.
Für europäische Unternehmen stellt sich damit nicht nur die Frage, wie sie auf diese Dynamik reagieren, sondern auch, ob sie sich weiterhin auf politische Rahmenbedingungen verlassen können oder selbst die wirtschaftlichen Impulse setzen müssen, um Politik und Regulierung in eine innovationsfreundlichere Richtung zu bewegen.
Pfeiler I: Beschleunigung von Innovation
Der erste Pfeiler setzt auf weitgehende Deregulierung, um private Investitionen und schnelle Markteintritte zu fördern. Inhalte sind u. a.:
- Abbau regulatorischer Hürden und Einschränkungen bei Bundesprogrammen
- Stärkung von Meinungsfreiheit und ideologiefreien Modellen in öffentlichen Beschaffungen
- Unterstützung von Open-Source- und Open-Weight-Modellen als Innovationsmotor und geopolitisches Instrument
- Förderung der KI-Adoption durch Pilotprojekte, Standards und branchenspezifische Testumgebungen
- Programme für KI-Weiterbildung, Umschulung und den Erhalt von Arbeitsplätzen
- Investitionen in KI-unterstützte Wissenschaft, hochwertige Datensätze und Grundlagenforschung
- Aufbau von Evaluations- und Testumgebungen für KI-Systeme
- Beschleunigter Einsatz von KI in Bundesbehörden und im Verteidigungsministerium
- Schutz geistigen Eigentums und Bekämpfung manipulativer synthetischer Medien
Pfeiler II: Aufbau von Infrastruktur
Dieser Abschnitt adressiert die physische Grundlage der KI-Führung:
- Vereinfachte Genehmigungsverfahren für Rechenzentren, Halbleiterfertigung und Energieprojekte
- Modernisierung und Ausbau des Stromnetzes mit Fokus auf stabile, steuerbare Energiequellen (inkl. Kernkraft)
- Wiederaufbau der Halbleiterproduktion in den USA
- Hochsichere Rechenzentren für Militär- und Geheimdienstanwendungen
- Fachkräfteoffensive für Infrastrukturberufe
- Stärkung der Cybersicherheit kritischer Infrastrukturen und Sicherstellung „secure-by-design“-Architekturen
- Ausbau der Fähigkeiten für Incident Response bei KI-bezogenen Ausfällen
Pfeiler III: Internationale Diplomatie und Sicherheit
Die USA wollen ihre technologische Führung exportieren und geopolitisch absichern:
- Export des gesamten KI-Technologiestacks an Verbündete
- Aktive Einflussnahme in internationalen Standardisierungs- und Governance-Gremien
- Verstärkte Exportkontrollen für Hochleistungsrechner und Halbleitertechnologien
- Globale Abstimmung bei Technologieschutzmaßnahmen
- Systematische Bewertung von nationalen Sicherheitsrisiken durch KI-Modelle
- Biotechnologische Sicherheitsstandards für Forschung und Industrie
Analyse
Der Plan ist in seiner Logik konsistent: Geschwindigkeit vor Vorsicht, nationale Interessen vor globalen Konsensprozessen, direkte Industriekooperation statt langwieriger politischer Kompromisse. Damit schaffen die USA einen klaren Wettbewerbsvorteil – nicht nur technologisch, sondern auch in der geopolitischen Positionierung.
Für Europa birgt dies ein strategisches Dilemma: Der regulatorische Fokus auf Vorsicht und Schutz kann in einem globalen Innovationswettlauf dazu führen, dass entscheidende Wertschöpfungsketten ins Ausland abwandern.
Ausblick: Europäische Handlungsoptionen
Wir werden in einem Folgebericht einen Gegenentwurf entwerfen, der aufzeigt, wie europäische Unternehmen – auch ohne initiale politische Weichenstellung – durch eigene Investitionen, offene Kooperationsmodelle und marktorientierte Allianzen eine dynamische KI-Industrie aufbauen können. Ziel ist es, wirtschaftliche Fakten zu schaffen, die die europäische Politik dazu zwingen, innovationsfreundlichere Rahmenbedingungen zu setzen.