Nun finde ich mich also in Hamburg wieder, meine Allianzen schmiedend. Zeitverschwendung? Dass sich meine Mitstreitersuche hier so schnell bezahlt macht, hatte ich gehofft, aber nicht gedacht. Warum es immer eine gute Idee ist nach sinnvollen Allianzen zu suchen, erkläre ich in diesem Artikel.
Realisieren, wie wertvoll Allianzen sind
Wir sind nicht allein auf der Welt. Auch wenn Humanoid (für neue Leser: Ein Webservice aus unserem Hause) einige Alleinstellungsmerkmale besitzt, gründen wir nicht wettbewerbslos. Agenturen, Plattformen wie Fiverr oder Upwork haben benachbarte Angebote. Leser meiner Artikel wissen, dass ich bereits 2013 gründete, mich jedoch erst 2017 konsequent ins Gründergeschehen warf. Ich befragte damals systematisch viele verschiedene Zielgruppen zu unserer Problemlösung.
Lose Netzwerke entstanden. Aus manchen dieser Beziehungen erwuchsen starke Partnerschaften. Mit den einen tauschte ich Erfahrungen aus, mit anderen bildete ich regelmäßige Treffen, um den aktuellen Kurs zu hinterfragen. Diese losen Enden erkannte ich, geben jedem einzelnen mehr Wert zurück, als er investieren muss. Zu schön um wahr zu sein? Wenn jeder etwas einbringt, kann nicht mehr herauskommen, als die Summe daraus, richtig? Falsch! Das Zauberwort heißt „Wechselwirkung“.
Das lässt sich auch rechnerisch erklären. Der erste Faktor ist: Man teilt gewisse Ressourcen und die gesamte Allianz profitiert davon. Das ist wie der Internetanschluss in der WG. So ist es beim Einkaufen, bei der Hausarbeit, bei der Miete an sich. Und so ist es auch in Unternehmerallianzen: Domains, Analysen, Wissen, die einzelnen Netzwerke werden geteilt. Eine andere Komponente ist der Zugriff auf Unbezahlbarkeiten. Ein Berater lässt sich bezahlen. 300€ pro Stunde. Echte Erfahrungen aber, echte Fehlgriffe, von echten Gründern sind wesentlich mehr als das wert und mit dreihundert Euro nicht aufzuwiegen.
So ein Zusammenhaltsgedanke scheint heutzutage utopisch, idealistisch, altmodisch, obsolet. Wir kennen es aus dem Alltag nicht mehr. Das ist ein Fehler: Denn im Geschäft befinden wir uns nicht in unseren beschaulichen Alltagen. Es herrscht harter Wettbewerb, die Wahrscheinlichkeit zu scheitern liegt bei 80%, die Existenz steht auf dem Spiel. Es ist Krieg. Wer an dieser Front ernsthaft kämpft, sollte viele Verbündete haben. Nur weil wir alle stets gegen Goliath kämpfen, heißt das nicht, dass wir zwingend wie David Erfolg haben werden. Wir sollten uns verbünden und Allianzen gründen.
Herausforderung Allianz
Leider gibt es auch schlechte Allianzen. Zum Beispiel wenn sie zu reinen Vertriebszwecken unterwandert werden. Dann gewinnen nicht alle Mitglieder durch den Zusammenschluss. An diesem Punkt experimentiere ich noch. Eine Allianz will in gewisser Weise moderiert werden. Schonmal sagen kann ich, dass meiner Erfahrung nach zwei Bedingungen zu erfüllen sind: Erstens muss jedes Mitglied in ähnliche Richtungen wirken und zweitens muss eine gewisse Leistungsbalance gewahrt werden.
Zusammenhaltsgedanke muss erarbeitet werden
Um es ganz deutlich zu sagen, der Gedanke, den Aufwand für eine Allianzenbildung könne man sich nicht auch noch ans Bein binden, ist einfach nicht klug. Denn die Allianz spart unter dem Strich Zeit und Geld. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Nein. Aus unserer Ellenbogengesellschaft heraus verlernten wir die Notwendigkeit von Zusammenarbeit. Wir sind im Alltag erheblich weniger auf unser Umfeld angewiesen als noch vor 80 Jahren. In unseren westlichen Leben herrscht für gewöhnlich Überfluss, statt der dörflichen Knappheit früherer Jahrhunderte. Wir müssen realisieren, dass bzgl. unserer Unternehmung eher allerdings Knappheit herrscht.
Wie wir den Kuchen auch schneiden: Zum Unternehmer macht uns, dass wir irgendwie ein größeres Ziel verfolgen. Ob wir nun ein neues Vereinsheim organisieren oder eine Innovation vorantreiben. Es bedarf keiner Raketenwissenschaft einzusehen, dass dieser zwanghafte Einzelkampf mit ein Grund dafür ist, dass 80% der Gründungen scheitern. In Wahrheit ist die Realität viel großartiger: Was wir nur noch aus Filmen kennen, nämlich dass sich Menschen zu einem höheren Ziel zusammenschließen, ist für Unternehmer wieder eine Notwendigkeit.
Alles Heuchelei und in Wahrheit einfache Verkaufsmasche?
Für viele bedeutet „Netzwerken“ eine Beziehung vorzuspielen, um davon zu profitieren. Vielleicht können wir „Netzwerken“ auch einfach so definieren. So betreiben es auch viele. Wer potentielle Kunden kontaktiert, sich zwischenmenschlich gibt, Gemeinsamkeiten herausstreicht und nach einer Anzahl von Gesprächen einen Deal erwartet, der vertreibt (eher schlecht als Recht) ein Produkt.
Das Konzept, das ich beschreibe, unterscheidet sich vom Vertrieb und damit von dieser Form von Netzwerken. Natürlich entstehen ab und an schonmal Aufträge. Reziprog Aufträge zu tauschen, vielleicht peinlichst genau auf gleiche Leistung zu achten, kann auch sinnvoll sein, ist aber nicht die Essenz. Der wesentliche Unterschied zum plumpen Vertrieb liegt in der effektiven Nutzung von Ressourcen. Und das ist einfach das Prinzip z.B. einer WG, einer Bürogemeinschaft, von Co-Workingspaces, vielleicht eines Vereins und auch das von politischen Bündnissen. Das bedeutet es genau so wenig, wie tausend Freundschaften zu schließen. Es bedeutet: Gemeinsam ein Ziel schneller zu erreichen. Romantisch ausgedrückt: Sich gegenseitig beistehen. Heroisch ausgedrückt: Allianzen bilden.
Autor: Kevin Heusinger