Kehrwasser

Outsourcing: Profitieren bereits als Gründer

Am Anfang einer Gründung ist alles ungewiss. Ist es da zu früh an Outsourcing zu denken? Es gibt schließlich noch keine Einnahmen. Diese Schlussfolgerung wäre falsch und schade. Heute ist mir völlig klar, wieso. Ein Augenöffner.

Als Gründer ist es meine Aufgabe, einen Markt, ein Geschäftsmodell zu finden. Dazu gehört überhaupt erst mal Ideen für mögliche Märkte zu haben. Nicht geistesblitzfokussiert sondern marktlückenorientiert. Auch das ist eine Aufgabe, die Zeit in Anspruch nimmt.

Dazu muss ich erst mal in einem Modus sein, der sich praktisch ständig fragt: Gibt es da ein Problem für Leute? Gibt es jemanden, der das Problem bereits löst? Sind Leute dazu bereit, Geld auszugeben? Habe ich die Fähigkeit, dieses Problem zu lösen?

Was man außerdem tun muss

Ich muss ein Produkt entwickeln. Ich muss meine Hausaufgaben machen. Ich muss schauen, wie mein Produkt angenommen wird.

Die Marktlückensuche kann einem niemand abnehmen. Das ist kein delegierbares Problem. Die Produktentwicklung prinzipiell schon, bei dem nötigen Kleingeld, welches man als Gründer üblicherweise halt einfach nicht hat. Es müssen Werbemaßnahmen entwickelt werden, schon alleine nur um die Ideen zu testen. Es müssen Konkurrenzanalysen vorgenommen werden. Es muss die Zielgruppe bestimmt werden. Eine Jobanalyse (Value Proposition Canvas) ist sinnvoll. Bleiben wir nur mal bei diesen Aufgaben. Eine Corporate Identity muss her. Texte müssen formuliert und Fehler geprüft werden, der Social Media Kanal muss gepflegt werden. Und so weiter.

Fakt ist nun, dass ich wahrscheinlich eine Arbeit habe, die mich 40 Stunden pro Woche einnimmt. Mit Kindern, Familie, Freunden etc. kommen wir mit viel Anstrengung auf vielleicht 16 Stunden pro Woche, die wir für unsere Sidepreneurgründung erübrigen können. 56 Stunden Arbeit pro Woche muss man erst mal leisten können. Schafft man eine Existenzgründung mit knappen 16 Stunden?

Die Zeit wird knapp

Denn was wir wirklich tun müssen ist: Inhalte produzieren, mit Menschen kommunizieren, weitere Märkte suchen, andere Ideen eruieren, am Prototypen entwickeln, Beziehungen aufbauen.

Das dauert. 10 Stunden verbrennen wir damit. Jetzt brauchen wir je Markt und Umpositionierung wieder eine Konkurrenzanalyse, wir müssen die Zielgruppe definieren. Wir müssen Kanäle pro Zielgruppe definieren, eine Jobanalyse machen… ich zählte es bereits auf.

Das ist Schema-F-Arbeit. Trotzdem aufwändig. Das braucht wieder ewig. Weil wir keine Profis darin sind. Wir brauchen Wochen dafür. Wo finde ich den Konkurrenten? Die Konkurrenzpräsenz auf den verschiedenen Kanälen muss analysiert werden. Was muss ich überhaupt analysieren? Wie komme ich an Entscheider? Welche Daten sind wichtig? Das muss erst mal alles verstanden werden. Und sicher schrieb irgendjemand dazu einen Blogartikel, ein E-Book oder drehte ein Erklärvideo auf YouTube. All das muss erst mal gefiltert werden. 100 Stunden? 200 Stunden?

Bis das gelernt wurde, ist die Zuversicht über eine erfolgreiche Selbstständigkeit schon wieder verloren. Und wollten wir nicht eigentlich erreichen, Dinge zu tun, die wir gut können und gerne machen?

Jetzt mal eine andere Perspektive

Wir haben uns in den Kopf gesetzt, eine selbstständige Existenz aufzubauen. Das Ziel ist es, am Ende unsere Arbeit ortsunabhängig, zeitunabhängig, weniger weisungsgebunden zu sein, ein höheres Einkommen zu erzielen, etc. Gleichzeitig soll eine sichere Auftragslage herrschen. Freiheit aber dafür Sorgen wäre kein guter Tausch. Mit einigen Abwandlungen einzelner Gründertypen ist das üblicherweise der zentrale Zweck einer Gründung.

Das bedeutet, ein Existenzgründer kann nicht einfach irgendetwas tun. Er muss schon das Potenzial haben, die genannten Ziele zu erreichen. Es gibt also gewisse mögliche Ansatzpunkte. Es gibt verschiedene Gelegenheiten, die sich dem Gründer bieten. Aber nicht jede fixe Idee ist gleich eine Geschäftsidee, nur weil es eine Idee ist. Geschäftsideen müssen sich auch nicht grundsätzlich dadurch auszeichnen, dass sie niemand vorher je hatte. Es kann sein, dass man an ein wirkliches Problem stößt, welches viele, viele Menschen haben. „Die Menschen können mit ihren Liebsten in der Ferne nur schwer kommunizieren. Jetzt erfindet Tim Bernes Lee das Internet. Ich bin technisch begabt. Ich erfinde Skype.“ Das kann aber auch einfach so etwas sein wie „In Hintertupfingen gibt es nur die Supermarktbäcker und die Hintertupfinger meckern ständig darüber. Ich mache einen echten Bäcker auf“. Diese Reife sollte ich im Gegensatz zu einem Traumtänzer mitbringen.

So gesehen, bleibt einem Gründer also gar nichts anderes übrig, als immer wieder ein Stück in vier Akten aufzuführen: Idee für Marktlücke, Hausaufgaben, prototypische Produktentwicklung, Testen.

In Hausaufgaben, Produktentwicklung und Testen liegt ein riesiger Batzen Schema-F-Arbeit.

Eine einfache Rechnung

Sagen wir, wir müssen 10 mal durch diesen Prozess, um das Endziel zu erreichen. Für das erste Mal müssen wir noch alles lernen. Beziffert sind das vielleicht 200 Stunden. Beim zweiten Mal geht es etwas schneller, wir lernen etwas dazu. 130 Stunden. Das nimmt dann je Durchlauf exponentiell weiter ab. Am Ende brauchen wir im Durchschnitt 50 Stunden für den Schema-F-Batzen.

Wenn es nur das wäre, wären wir bei 500 Stunden. 30 Wochen. Also knappen 7 Monaten, nur um etwas profitables zu finden.

Dazu kommt der Entrepreuranteil. In was investiere ich? Wie will ich mich darstellen? Welche Marktlücken sehe ich? Welche Chancen habe ich auf dem Schirm? Wie ist meine Hypothese für die Problemlösung? Wie ist meine Produktidee dafür? etc. Würde uns die Arbeit daran gefallen und motiviert uns das, so dass es gerne unsere Zeit in Anspruch nehmen darf. Zeit allerdings wird auch dieser Anteil in Anspruch nehmen. Und egal was wir tun: durch diese Tätigkeit können wir naturgemäß nichts verdienen. Denn wir müssten diese Aufgaben schließlich nicht machen, wenn wir bereits wüssten, wie mit der Idee Geld zu verdienen ist.

Der Arbeitsaufwand für dieses Segment lässt sich schwer abschätzen. Ideen haben Inkubationszeiten. Bei mir persönlich ist das immer wieder ein längerer Prozess. Sagen wir optimistisch geschätzt einen Monat im Schnitt, bis man zur nächsten Reifestufe des eigenen Plans kommt. Das ist der kreative Teil einer Gründung. Der Entrepreneuranteil.

Etwa zehn Mal müssen wird durch den Prozess, haben wir weiter oben geschätzt. Das macht 10 Monate reine Entrepreneurarbeit, um das Endziel zu erreichen. Insgesamt haben wir also geschätzte 17 Monate vor uns.

Dazu kommen Phasen des Zweifels und der Frustration. Zeiten, in denen wir nicht so richtig weiterkommen. Sagen wir nochmal ein Drittel der Zeit, also etwa 4 Monate. Das macht den Frustanteil aus. Addiert sind es also insgesamt 21 Monate.

Wie wir den Kuchen auch schneiden: Die Formel lautet: Mit 21 Monaten Arbeit neben Job und Familie, erreicht der Gründungswillige durchschnittlich das Ziel einer soliden selbstständigen Existenz. Welche Idee es letztlich auch wird.

Das Ass im Ärmel haben wir vergessen!

Wir machen aus unserem Handicap eine Stärke. Den Trumpf, den wir haben, ist ausgerechnet unser Hauptberuf! Den erledigen wir im Schlaf. Täglich. Und erhalten dafür ein sicheres Einkommen. Punkt. Zeit gegen Geld. Das wollen wir zwar überwinden, aber: immerhin ist es eine Geldquelle. Praktisch unser einziger Kunde bis dato. Was, wenn wir das zurücktauschen? Was, wenn wir uns bei den drei Teilen Schema-F-Batzen, Entrepreuranteil und Frustanteil den beiden ungeliebten und zeitraubenden Anteilen entledigen könnten? Und das Geld, sagen wir von einem Arbeitstag unseres täglich Brot, in Experten investieren?

Dann ist der Schema-F-Anteil bereits bestmöglich erledigt! Das heißt von den 21 Monaten ziehen wir 7 ab. Die gewonnene Sicherheit minimiert den Frustanteil. Statt 21 Monate unbezahltem Gründerchaos, sind es nur noch 14.

Ende gut, alles gut

Meiner Erfahrung nach liegt die größte Herausforderung beim Gründen im Verständnis von Dingen, die den meisten Menschen nicht beigebracht werden. Es ist schon so etwas wie ein Geheimnis, das sich nicht leicht vermitteln lässt. Es ist schwer mitteilbar und selbst in der eigenen Familie dringen häufig nur Teile aber nicht das große Ganze an die Nachkommen durch.

In diesen 14+ Monaten hat der Gründer nun einige dieser Dinge erfahren können. Die Hoffnung besteht, dass er sie auch verstanden hat.

Der Gründer ist jetzt ein Gründer. Jetzt hat er einen Ansatz gefunden mit dem er wirklich loslegen kann und jetzt sieht er auch Erfolge. Außerdem kann er jetzt besser auftreten. Die Einnahmen, die er nun generiert, ermöglichen ihm immer weniger aus dem Gehalt zu schöpfen, auch wenn das nicht das vorrangige Ziel sein sollte. Auch in der nächsten Phase sollte nun investiert werden, um die Gründung auf ein solides Fundament zu stellen.

P.S.

Um das Ass im Ärmel ausspielen zu können und unser klassisches Gehalt konstruktiv zu nutzen, ist es erforderlich, aus der Haltung des Konsumbürgers auszubrechen. Das ist ein Thema für sich. Auf den Punkt zusammengefasst beschäftigen sich gerade berufstätige Familienmenschen sehr viel mit dem neuen Auto, dem Eigenheim, Thermomix und Kinderspielzeug.

Hier gilt es natürlich den schweren Sprung zu machen: weg von dem Glaubenssatz, man müsse sich „verbessern“ (was ein Euphemismus ist für Webergrill und Neuwagen kaufen, weil der Nachbar das auch „geschafft“ hat), hin zu der Haltung, dass ein Umfeld, das solche Verbesserungen nötig hat, eher Gift für die eigene Entwicklung ist.

Autor: Kevin Heusinger

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