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Enshittification: Bedeutung, Definition und warum digitale Produkte systematisch schlechter werden

Enshittification: Warum digitale Produkte schlechter werden – und was dahintersteckt

Viele Menschen haben das Gefühl, dass digitale Produkte mit der Zeit schlechter werden. Plattformen werden unübersichtlicher, Apps aufdringlicher, Funktionen verschwinden oder tauchen nur noch hinter Bezahlschranken auf. Was früher einfach war, fühlt sich heute mühsam an. Dieses Phänomen hat einen Namen: Enshittification.

Der Begriff wirkt polemisch, fast flapsig. Doch er beschreibt eine reale, gut beobachtbare Entwicklung. Enshittification ist kein Einzelfall, kein Zufall und kein Zeichen schlechter Entwicklerarbeit. Sie folgt einer inneren Logik – einer ökonomischen Logik, die viele digitale Geschäftsmodelle prägt.


Enshittification – Bedeutung und Definition

Die Bedeutung von Enshittification lässt sich nüchtern fassen: Es geht um den systematischen Qualitätsverlust von Produkten, insbesondere von Plattformen, der nicht aus Unfähigkeit entsteht, sondern aus veränderten Anreizen.

Eine brauchbare Enshittification-Definition lautet: Enshittification beschreibt den Prozess, bei dem ein Produkt oder eine Plattform im Zeitverlauf schlechter für seine Nutzer wird, weil wirtschaftliche Interessen zunehmend über den ursprünglichen Nutzwert gestellt werden.

Wichtig ist dabei: Die Produkte werden nicht schlechter, weil sie schlecht gemacht sind. Sie werden schlechter, weil es sich rechnet.


Enshittification nach Cory Doctorow

Bekannt wurde der Begriff durch den Autor und Netzaktivisten Cory Doctorow. In mehreren Essays beschreibt er, wie große Plattformen einem wiederkehrenden Muster folgen. Zunächst sind sie offen, nutzerfreundlich und attraktiv. Sie wachsen schnell, ziehen Menschen an, bauen Abhängigkeiten auf. In dieser Phase steht der Nutzen im Vordergrund.

Später verschiebt sich der Fokus. Die Plattform beginnt, ihre Reichweite stärker zu monetarisieren. Zuerst bei Geschäftspartnern, dann bei den Nutzern selbst. Funktionen werden eingeschränkt, Werbung nimmt zu, Alternativen verschwinden. Am Ende steht eine Plattform, die zwar technisch leistungsfähig ist, aber kaum noch den Interessen derer dient, die sie täglich nutzen.

Diese Analyse wird oft verkürzt als „Enshittification nach Cory Doctorow“ bezeichnet. Ein eigenes Enshittification-Buch gibt es zwar nicht, doch seine Texte gelten als zentrale Referenz für das Konzept.


Enshittification erklärt: Warum das kein Moralversagen ist

Es ist verführerisch, Enshittification als moralisches Problem zu sehen. Unternehmen seien gierig geworden, Manager hätten ihre Werte verloren. Doch diese Erklärung greift zu kurz.

Die Enshittification-Erklärung liegt tiefer. Sie hat mit Strukturen zu tun, nicht mit Charakteren. Plattformen funktionieren anders als klassische Produkte. Sie leben von Netzwerkeffekten. Je mehr Menschen sie nutzen, desto wertvoller werden sie. Gleichzeitig steigt mit jeder Abhängigkeit die Macht des Anbieters.

Sobald Nutzer kaum noch wechseln können, ändern sich die Anreize. Dann lohnt es sich weniger, das Produkt besser zu machen, und mehr, den bestehenden Nutzen auszuschöpfen. Das ist kein Zynismus, sondern betriebswirtschaftliche Rationalität.

Wir werden es auch anders machen in Zukunft. Bisher ist unsere zentrales Framework um letztlich die Akzeptanz einer Plattform zu bestimmen, das AARRR- oder Pirate-Metrics-Framework. Hier steht am Ende genau so Retention (Also Wiederbenutzungsrate), Referral (Weiterempfehlungsrate) und Revenue, was dann eben der Umsatz als KPI ist. Jetzt müsste man eine Metrik hinzufügen, die reale „Value“ dagegenhält. Aber welche wäre das? Darüber müssen wir uns noch Gedanken machen. Abonnieren Sie unseren Newsletter und verfolgen sie die Entwicklung dieser Idee.


Platform Enshittification als strukturelles Muster

Platform Enshittification ist deshalb kein Ausreißer, sondern ein Muster. Es taucht immer dort auf, wo Plattformen dominieren, Schnittstellen kontrollieren und Wechselkosten hoch sind.

Die Symptome ähneln sich: mehr Werbung, weniger Transparenz, eingeschränkte Funktionen, steigende Preise. Oft geschieht das schrittweise, kaum wahrnehmbar im Alltag. Jede einzelne Änderung wirkt erklärbar. Erst in der Summe wird sichtbar, dass sich etwas grundlegend verschoben hat.

Plattformen werden dabei nicht ineffizienter. Im Gegenteil: Sie werden oft perfektioniert – allerdings nicht im Sinne der Nutzer, sondern im Sinne der Wertabschöpfung.

Auch das ein Grund, warum im Cloudbereich viele Projekte und Unternehmen wieder mehr zu On-Premise tendieren.


Enshittification in Industrie und Automobilbereich

Das Phänomen beschränkt sich längst nicht mehr auf klassische Internetplattformen. Enshittification in der Industrie zeigt sich dort subtiler, aber nicht weniger wirksam.

Industrielle Produkte sind zunehmend softwaregetrieben. Maschinen funktionieren nur noch mit proprietären Systemen, Wartung erfordert Lizenzen, Daten verbleiben beim Hersteller. Der technische Fortschritt ist real, doch die Autonomie der Kunden nimmt ab.

Besonders sichtbar wird das bei der Enshittification im Auto. Fahrzeuge sind heute rollende Computer. Funktionen werden per Software freigeschaltet oder gesperrt, oft zeitlich begrenzt oder im Abo. Reparaturen werden erschwert, Datenzugänge eingeschränkt. Das Auto wird nicht schlechter gebaut – es wird stärker kontrolliert.


Warum Enshittification lange erfolgreich ist

Enshittification funktioniert, weil sie selten abrupt geschieht. Sie lebt von Gewöhnung. Nutzer passen sich an, akzeptieren kleine Verschlechterungen, weil der Wechsel mühsam wäre oder Alternativen fehlen.

Hinzu kommt ein psychologischer Effekt: Wer viel investiert hat – Zeit, Daten, Gewohnheit – bleibt eher, selbst wenn das Produkt schlechter wird. Plattformen kalkulieren genau damit.


Maßnahmen gegen Enshittification

Enshittification ist kein Naturgesetz. Es gibt Maßnahmen gegen Enshittification, besonders für Unternehmen und Organisationen, die selbst digitale Systeme einsetzen oder entwickeln.

Ein zentraler Hebel liegt in der Architektur. Offene Standards, dokumentierte Schnittstellen und Datenportabilität reduzieren Abhängigkeiten. Sie machen Wechsel möglich, auch wenn er nie genutzt wird.

Ein weiterer Hebel ist strategischer Natur. Wer Produkte ausschließlich über kurzfristige Monetarisierung optimiert, erzeugt Enshittification fast zwangsläufig. Wer stattdessen langfristigen Nutzwert misst und ernst nimmt, kann dem entgegenwirken.

Auch vertragliche Klarheit hilft. Exit-Szenarien, klare Datenrechte und transparente Lizenzmodelle schaffen Handlungsspielräume, bevor sie fehlen.


Enshittification als Diagnose, nicht als Schlagwort

Am Ende ist Enshittification weniger ein Kampfbegriff als ein Analysewerkzeug. Sie hilft zu verstehen, warum viele digitale Produkte nicht deshalb schlechter werden, weil sie schlecht gemacht sind, sondern weil ihre Anreizsysteme kippen.

Wer Enshittification erkennt, kann bessere Entscheidungen treffen – als Nutzer, als Unternehmen, als Gesellschaft. Nicht jede Plattform muss diesen Weg gehen. Aber jede Plattform, die ihre eigenen Anreize nicht reflektiert, läuft Gefahr, ihn irgendwann zu beschreiten.

Automatisierte T-Shirt-Produktion als Blaupause für eine profitable Reindustrialisierung Europas

Die westlichen Volkswirtschaften stehen vor der Herausforderung, Industriezweige zurückzuholen, die in den letzten Jahrzehnten in Billiglohnländer ausgelagert wurden. Ein besonders prominentes Beispiel ist die Textilproduktion. Anhand eines konkreten, technischen Szenarios zeigt dieser Artikel, wie ein automatisiertes System zur T-Shirt-Produktion, gestützt durch sogenannte Sewbots, als wirtschaftlich tragfähiges Muster für eine neue industrielle Wertschöpfung in Europa dienen kann.

Technologischer Wandel und wirtschaftliche Chance

Bis heute wird der Großteil der in Europa konsumierten T-Shirts in Asien gefertigt – zu niedrigen Stückkosten, aber mit erheblichen sozialen, ökologischen und ökonomischen Nebenwirkungen. Die entscheidende Wertschöpfung – sowohl finanziell als auch technologisch – findet dabei außerhalb Europas statt. Doch mit dem technologischen Fortschritt im Bereich der Robotik und CNC-gesteuerten Fertigungssysteme eröffnen sich neue Möglichkeiten, textile Fertigungsprozesse zumindest teilweise zu automatisieren und damit wieder wirtschaftlich sinnvoll im Inland durchzuführen.

Erste Prototypen sogenannter Sewbots sind heute in der Lage, einfache Nähprozesse wie das Schließen von Seitennähten, das Annähen von Etiketten oder das Säumen von Kanten mit hoher Wiederholgenauigkeit und Geschwindigkeit auszuführen. Komplexere Arbeitsschritte wie das Einsetzen von Ärmeln oder das exakte Anbringen dehnbarer Bündchen bleiben vorerst menschlicher Hand vorbehalten. Doch auch hier zeigen sich durch den Einsatz adaptiver Vision-Systeme und mechanischer Greifer neue Ansätze für Teilautomatisierungen.

Ein skalierbarer Produktionsansatz

Die Herstellung eines modernen T-Shirts lässt sich in mehrere Schritte gliedern – vom Zuschnitt über das Verbinden der Stoffteile bis hin zum Endsaum und Labeling. Während der Zuschnitt bereits heute durch computergesteuerte Lasersysteme effizient automatisierbar ist, können auch zentrale Nähprozesse durch den Einsatz einfacher CNC-Plattformen mit Industrienähmaschinen übernommen werden. Ein durchdachtes System aus manuellem Eingriff und robotischer Unterstützung ermöglicht bereits jetzt eine Automatisierung von rund 60 bis 70 Prozent der Prozesskette.

Dabei ist der wirtschaftliche Hebel nicht zu unterschätzen: Ein Prototyp, bestehend aus einem XY-Schlitten, Steuerungseinheit und industrietauglicher Nähmaschine, kann bei geringen Investitionskosten von unter 4.000 Euro eine signifikante Entlastung von manueller Arbeit schaffen. Bereits bei kleiner Stückzahl rechnet sich die Anschaffung innerhalb weniger Produktionszyklen, zumal viele der Komponenten aus dem Maker-Bereich stammen und frei konfigurierbar sind.

Lokale Wertschöpfung als strategischer Vorteil

Diese technologische Möglichkeit hat weitreichende Folgen. Zum einen verbleiben die Gewinne – anders als beim Import aus Billiglohnländern – innerhalb Europas und fließen in die lokale Wirtschaft zurück. Zum anderen entstehen neue, qualifizierte Tätigkeiten im Bereich der Wartung, Systemintegration und Bedienung der automatisierten Anlagen. Zugleich können die Umweltbelastungen durch globale Logistikketten erheblich reduziert werden. Gerade im Bereich schnelllebiger Mode könnten lokale Mikrofabriken mit automatisierten Prozessen ein Gegengewicht zur Ressourcenverschwendung der Fast-Fashion-Industrie bilden.

Forschung und Politik als Enabler

Damit diese Entwicklung flächendeckend Wirkung entfalten kann, bedarf es einer gezielten Forschungs- und Industriepolitik. Zentrale Aufgaben bestehen in der Weiterentwicklung robuster Stoffgreifer, der Integration von Bildverarbeitung in Echtzeit sowie in der Standardisierung modularer Fertigungseinheiten. Auch Open-Hardware-Initiativen könnten hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie Wissen zugänglich machen und Innovation beschleunigen.

Fazit

Die automatisierte T-Shirt-Produktion zeigt exemplarisch, dass Reindustrialisierung in Europa keine Vision für ferne Zukunft ist, sondern auf Basis bestehender Technologien bereits heute wirtschaftlich möglich erscheint. Es braucht keine milliardenschweren Großprojekte – oft genügen kluge Kombinationen aus bekannten Komponenten, ein pragmatischer Aufbau und die Bereitschaft, Automatisierung als produktiven Hebel und nicht als Bedrohung zu verstehen. Der DIY-Sewbot ist in diesem Kontext nicht nur ein technisches Experiment, sondern eine Blaupause für eine neue Generation schlanker, intelligenter und lokaler Industrieproduktion. Er zeigt, wie Europa in kleinen, konkreten Schritten Souveränität zurückgewinnen kann – wirtschaftlich, technologisch und gesellschaftlich.

Positionierungsakt 1: Zukunftsmenschen und Sinusmileus (Kartoffelgrafik)

Eigentlich ist es Wahnsinn einen IT-Dienstleister aufzubauen. Interessante Einsichten hat mir das Projekt „Zukunftsmenschen“ heute gebracht. Die Positionierung ist derzeit das zentrale Thema meiner Strategieaktivitäten. Ich bin Nachfrageanalysen beschäftigt bei denen ich die Sinusmilleus wieder zurate gezogen habe.

„Zukunftsmenschen“ ist ein Studienprojekt, der Youtubefund ist eine Art Interview von Puppen als entsprechende Repräsentanten der einzelnen Millieus. Toll gemacht. Leider fehlt einem zu der Vorstellung irgendwie das Programmheft, wenn man so will. Ich konnte mir den Gesamtzusammenhang über den Projektabschlussbericht und die Website rekonstruieren.

Zugegeben: Es hat mich erstaunt, dass Kehrwasser 2019 letztlich Fahrt aufgenommen hat. Der Erfolg war das Ergebnis halbsystematischen Probierens. Durch die Erfahrungen, die ich zwischen 2015 und 2018 in IT-Dienstleistern, Agenturen machte, konnte ich immerhin unser Angebot bzgl. der Business Values schärfen. Meine Vertriebsbemühung musste davor geradezu kläglich scheitern. Aus dem Elfenbeinturm der Technik, der wissenschaftlich, theoretischen Sicht auf die Informationstechnologie und entsprechenden Dienstleistungen war mir die Sicht des Kunden auf einen IT-Dienstleister vorher nicht bewusst.

Erst das Verständnis für das Projektmanagement, auf der Ebene des ökonomischen Entscheiders zu kommunizieren brachte mich zumindest zu den Einsichten, die Sorgen aus Managementperspektive vordringlich zu kommunizieren. Dies und der technische fundierte Hintergrund, brachte Kehrwasser die ersten ernstzunehmen Aufträge letztlich ein, nach meiner bisherigen Einschätzung.

Doch dies ist nur das eine Ende des Spektrums. Die feingranulare Positionierung von Kehrwasser inmitten etlicher Dienstleister alleine lokal in Hamburg und etlicher Anbieter in diesem Umfeld online ist dringend notwendig um den nächsten Schritt gehen zu können.

Neben der Fokussierung auf wenigere Nischenthemen (DevOps, DevSecOps, Markeplace Development und Release Management) ist eine Dimension der Positionierung auf den Descision Maker der Kunden. Dazu war mir eine Überblick über die Rollen in unserer Gesellschaft notwendig.

Ich stolperte also über das Video „Zukunftsmenschen – Deutschlands zehn soziale Milieus als Charaktere“. In diesem Werden die Personas, also repräsentative Charaktere der einzelnen Milieus als Puppen animiert interviewt und stellen so die Erkenntnisse der Milieuforschung überspitzt, quasi an ihren Gitterpunkten, greifbar dar.

Zukunftsmenschen ist die Abschlussarbeit von Anne Stürmer an der ecosign / Akademie für Gestaltung in Köln. Die Basis ist wiederum die Abschlussarbeit des Projekts „Erfolgsbedingungen für Systemsprünge und Leitbilder einer Ressourcenleichten Gesellschaft“ (Autoren: Dr. Holger Berg, Dr. Maria Schnurr, Michael Schipperges, Holger Glockner; Veröffentlicht durch das Umweltbundesamt).

Leider weichen die Millieusbezeichnungen von den üblichen Bezeichnungen der Sinusmilieus ab. Also die bekannten Hedonisten, Traditionelle, Performer, Expeditive etc. In Zukunftsmenschen sind sie Moderne Gehobene, moderner Mainstream, kritische Reflexive usw. Also wo stehen die, die wir im Video sehen?

Ich habe mich noch nicht tief in den Beitrag des Umweltbundesamtes eingelesen. Die von den üblichen Kartoffelgrafiken abweichende Positionierung findet sich in Abbildung 6 des Dokuments (siehe Screenshot unten).

Außerdem findet sich auf zukunftsmenschen.com eine Galerie über einen Prosprekt in dem die einzelnen Milieus dann definiert werden. Dort kann man sich durch die Charaktere klicken. Falls Anne das liest: Es wär toll mal ein PDF von diesem Pamflet zu bekommen.

Abbildung 6 des Abschlussberichts „Erfolgsbedingungen für Systemsprünge und Leitbilder einer Ressourcenleichten Gesellschaft“