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Warum Beförderungen in Unternehmen oft keine Frage der Leistung sind – und was der Mittelstand daraus lernen kann

Ein kritischer Blick auf Beförderungskultur, Transformation und Teamleading im Zeitalter der Digitalisierung

Leistung allein genügt nicht. Ob in der Verwaltung, im Konzern oder im Tech-Startup: Immer wieder beobachten Mitarbeitende, dass Beförderungen weniger mit reiner Leistung als mit Anpassung, Sichtbarkeit oder Beliebtheit zu tun haben. Wer den Chef gelegentlich kritisiert oder lieber programmiert statt sich zu präsentieren, bleibt oft auf der Strecke. Besonders im Mittelstand, wo Hierarchien flacher und Ressourcen knapper sind, kann das fatale Folgen haben – für die Transformation, die Teamleading-Kultur und die gesamte Digitalisierung eines Unternehmens, was der Mittelstand wissen sollte.

USA: Vom Peter-Prinzip zur Law of Crappy People

Bereits 1969 beschrieb Laurence J. Peter, dass Mitarbeitende in Hierarchien so lange befördert werden, bis sie in einer Rolle landen, für die sie ungeeignet sind. Dieses sogenannte Peter-Prinzip wurde später satirisch vom Dilbert-Prinzip erweitert – unfähige Mitarbeiter würden gezielt ins Management versetzt, um Schaden vom operativen Geschäft fernzuhalten (vgl. Scott Adams).

Der Tech-Investor Ben Horowitz formulierte 2014 schließlich die Law of Crappy People: Die Qualität einer Hierarchiestufe sinkt auf das Niveau des schlechtesten Mitglieds dieser Stufe, weil sich alle anderen daran orientieren und ebenfalls befördert werden wollen (Horowitz, 2014).

Forschung bestätigt: Leistung ≠ Aufstieg

Eine Studie von Benson, Li & Shue (2018) mit Daten aus über 200 Unternehmen zeigt: Top-Performer im Vertrieb werden oft befördert, schneiden als Manager aber schwach ab. Unternehmen fördern nicht die Führungsfähigkeit, sondern die vergangene Fachleistung (QJE 2018).

Weitere Studien bestätigen, dass politisches Geschick oft bessere Karrierechancen bringt als Intelligenz oder Persönlichkeit (vgl. Ferris et al., zit. in HowStuffWorks, 2023).

Auch subjektive Kriterien wie „Cultural Fit“ oder persönliche Sympathie fließen stark in Beförderungsentscheidungen ein – oft mehr als objektive Leistung (vgl. Prinstein, 2017).

Was bedeutet das für die Transformation im Mittelstand?

In der digitalen Transformation zählt nicht nur Fachkompetenz, sondern auch die Fähigkeit, Veränderungen zu führen. Doch wenn im Mittelstand die besten Fachexperten ins Management gedrängt werden, statt sie in Expertenrollen zu halten, verliert das Unternehmen oft doppelt: an Exzellenz und an Führungskraft.

Zudem verschärft die Digitalisierung die Notwendigkeit, schnelle und kompetenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Beförderungen nach Beliebtheit oder Betriebszugehörigkeit konterkarieren das. Transparente Karrierepfade, objektive Kriterien und duale Laufbahnen (Fach- vs. Führungskarriere) sind hier zentrale Hebel.

New Work und europäische Perspektive

Während US-Konzerne offen über „Office Politics“ sprechen, neigt der europäische Mittelstand dazu, Beförderungskriterien zu verschleiern. Titel wie „Teamleiter“ werden teils inflationär vergeben, ohne echte Verantwortung oder klare Kriterien. Dabei zeigen Beispiele aus Skandinavien und der deutschen Industrie, dass transparente Kompetenzprofile und Peer-Feedback zu faireren Ergebnissen führen können.

Teamleading neu denken

Gute Teamleader brauchen andere Fähigkeiten als Fachexperten: Kommunikation, Konfliktlösung, strategisches Denken. Wer nur wegen Leistung befördert wird, scheitert oft an diesen Anforderungen. Unternehmen sollten ihre Beförderungskultur deshalb hinterfragen – besonders im Mittelstand, wo jede Fehlbesetzung teuer ist.

Fazit: Digitalisierung braucht eine neue Leistungskultur

Die Digitalisierung ist mehr als Technik – sie verlangt eine neue Form der Führung. Wer befördert, sollte sich fragen: Wollen wir Loyalität oder Leadership? Sichtbarkeit oder Substanz? Ohne kluge Beförderungsentscheidungen wird jede Transformation zur Makulatur.

Der Mittelstand hat die Chance, es besser zu machen – durch klare Regeln, gelebte Werte und eine ehrliche Analyse der eigenen Führungskultur.


Quellen:

  • Benson, Li & Shue (2018), Promotions and the Peter Principle, Quarterly Journal of Economics
  • Horowitz, B. (2014), The Hard Thing About Hard Things
  • Prinstein, M. (2017), Popular: The Power of Likability
  • Ferris et al. (2013), Political Skill at Work
  • SHRM (2018), Why performance doesn’t drive promotions

Remote Arbeit: Motivierte Teams zuhause

Remote Arbeit ist trotz der Erfahrungen der Pandemie weiterhin kontrovers. Es ist möglich, professionelle und hochmotivierte Teams aufzubauen, die vollständig remote arbeiten. Was sind die aktuellen wissenschaftlichen Beiträge dazu?

Sind Teams in Remote Arbeit wirtschaftlich sinnvoll?

Es gibt gute Gründe ins Büro zu gehen. Jedenfalls für einige Teams. Es gibt aber auch gute Gründe für einige, reine Remote Teams zu sein. Die Frage ist nicht, ob die Zukunft der Arbeit entweder in der Remote Arbeit liegt oder vorort. Es geht um die Frage, ob reine Remote Teams von der Performance her mit Offlineteams mithalten können. Ist Homeoffice ein Benefit wie das Jobrad oder eine BahnCard es ist? Ein Herz für Stubenhocker sozusagen? Oder kann man Teams aufbauen, die am Ende produktiver sind, als sie es wären, wenn sie in Präsenz arbeiten müssten. Und sind sie vielleicht dazu weniger oft krank, motivierter, effizienter und allgemein zufriedener? Wie gesagt: Nicht alle Teams und Menschen, aber einige.

Man kann in Remote Arbeit eine Gemeinschaft schaffen

Eine besonders kontroverse Frage ist wohl, in wie weit sich aus der Ferne, in einem Team, das sich physisch nie oder fast nie sieht, eine Verbindung herstellen lässt. Das bedeutet nicht, dass Freundschaften, Kollegialität, Loyalität sich nicht in ausreichendem Maß über die Ferne aufbauen ließe.

Es gibt einige Anzeichen, warum das stimmen könnte und die die Hoffnung auf großartige Remote Teams aufrechterhält und sogar nährt.

Ich sehe Omas und Opas die ihre Enkelkinder die meiste Zeit über die Ferne begleiten. Ich sehe dort starke Bindungen trotz Distanz und Virtualität. Freundschaften, die über Jahre über eine weite Strecke halten, kenne ich aus eigener Erfahrung. Mehrfach.

Viele introvertierte Menschen scheuen sich geradezu vor physischen Teamereignissem im Reallife. Ist es ein Verbrechen, sich hinter einem Computerbildschirm sicherer und wohler zu fühlen? Sicherlich jene sogar besser, wenn man sie nicht umerzieht.

Gamer machen es seit Jahrzehnten vor. Noch als ich vor Jahrzehnten zur Schule ging gab es die ersten Kameraden, die sich zu sogenannten Klans und Gilden zusammengeschlossen haben – teilweise Menschen die sich nie physisch begegnet sind, sich aber dennoch regelmäßig im virtuellen Raum getroffen haben um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Interessant ist, dass heute im Trend ist, Gilden, Chapter und Task Forces in der allgemeinen Arbeitswelt einzuführen.

Ich habe Exsoldaten in Wohnheimen kennenlernen dürfen, die nicht im Verdacht standen, den echten Kontakt mit Menschen zu scheuen. Dennoch verzog er sich mit kindlicher Freude teilweise samstagabends mit einem Sixpack und einem Headset vor den Rechner um der Spielfreude ausgiebig zu nachzugeben.

Das sind alles noch keine wissenschaftlichen Belege, aber doch gute Anhaltspunkte, dass sich eine starke Bindung aufbauen lässt. Es kommt dabei sehr auf die Teamstruktur an. Habe ich viele Mitarbeiter, die ständig auf die Rampe müssen? Aber sein wir doch mal ehrlich: In welchen Bereichen ist das heute noch so? Vielleicht in Salesteams. Die meisten sind doch eher kopflastig – gerade in Innovationsteams.

Remote Team Building

Remote Team Building funktioniert hervorragend. Es hat schon etwas mit einer gewissen Gamification zu tun und darf nicht konstruiert sein (letzteres gilt genauso für Teams die zu 0% remote arbeiten).

Auch ein Remote Team muss erst ein Team werden. Ein Team verfolgt ein gemeinsames Ziel. Die Mitglieder müssen die gemeinsame Vision verstehen, ihre Wichtigkeit, ihren Zweck. Sie müssen verstehen, dass sie keine Einzelkämpfer sind und jedes Teammitglied eine wichtige Aufgabe erfüllt. Ein Team muss in gewisserweise eine Bruderschaft werden. Man muss zusammen durch etwas gehen.

Dabei reden wir gerade nicht über gemeinsame digitale Bowlingabende, Pokerrunden oder tatsächlich irgendwelche gemeinsam gespielten hardcore Games. Das kann man natürlich zusätzlich machen, sofern es den Geschmack des Teams trifft. Soetwas ist nicht jedemanns Sache und kommt teilweise sogar eher als lästige Pflicht daher.

Viel wichtiger: Ist Remote Team Building zu konstruiert, wirken solche Teamevents künstlich. Diese Wirkung wiederum verstärkt den Eindruck, dass das Team es nötig hat, ein künstliches Szenario aufzubauen. Das sät Zweifel daran, ob die eigentliche gemeinsame Aufgabe wirklich wichtig genug ist, um sinnvoll zu sein. Eine Herausforderung bei der man aufeinander angewiesen ist, um sie zu meistern. Gemeinsam an Dokumenten arbeiten, gemeinsame Brainstormings oder auch eine Runde Planning Poker ist organisch.

Und genau dabei geht es beim Teambuilding nicht nur im Remote Team: Die Abhängigkeit der Teammitglieder untereinander und das gegenseitige Vertrauen aufzubauen.

Hybrides Arbeiten

Hybride Meetings sind nur okay, wenn die technische Ausrüstung buchstäblich hervorragend ist. Große Bildschirme und exzellente Soundqualität sind notwendig, um die Mitarbeiter gleichwertig zuschalten zu können. Trotz bestem Equipment kommt es dazu, dass die Remotekollegen nicht dieselbe Präsenz haben, wie die Kollegen Vorort. Sie können leicht abgeschnitten und ignoriert werden. Teams mit Remotekollegen sollten die Meetings entweder gemeinsam vollständig online oder konsequent offline durchführen, wann immer es möglich ist. Es ist immer mal notwendig, dass jemand nicht persönlich dabei sein kann. Dann sollte man sich überlegen, ob der Kollege nicht evtl. komplett aussetzt. Ausnahme kann man ihn natürlich virtuell dazu holen. Eventuell auch nur als Telefonjoker.

Das heißt alles nicht, dass es nicht förderlich wäre, sich ab und an im Office zu treffen. Eine gemeinsame Retro, einen Hackathon, ein Brainstorming an der Pinnwand oder so etwas kann helfen, wenn die eigenen vier Wände zu eng werden. Auch ein gemeinsames Abendessen ist manchmal Gold wert – aber das gilt ohnehin für alle Teams. Doch vorsicht: Ist das Team sehr verteilt, kann es zu ungesunden Grüppchenbildungen und in der Folge zu Lagerkämpfen im Team kommen. Teammitglieder fühlen sich ausgeschlossen. Das ist das Schlimmste, was dem Teamgefüge aus meiner Sicht passieren kann.

Wissenschaftliche Sachlage zur Remote Arbeit

Laut Fachhochschulprofessor Prof. Dr. Carsten C. Schermuly gibt es kaum Daten. Viele Arbeiten und Studien sind noch aus der Vorcoronazeit. Die Studien zeigen nur Ergebnisse, die auf vergangenen, damit zumindest improvisierten, Remotepraktiken aufbauen. Sprich Organisationen machen genau die oben beschriebenen Fehler bei der Remote Arbeit und die Studien messen darauf die Motivation und Produktivität der Teams. Natürlich sind die Ergebnisse dann mies.

Ein Setting für eine Studie wäre es, drei statt nur zwei Gruppen zu vergleichen. Nicht nur reine Offlineteams mit Situationen, in denen einige Teammitglieder eben von Zuhause aus arbeiten. Es müssen wirklich Remote Teams im Sinne der obigen Beschreibung ebenfalls untersucht werden. Also Kontrollgruppe: Offlineteams und dann die Varianten „Offlineteam mit Homeofficeregelung“ und „Vollständiges Remote Team“. Erst dadurch kann nach Ceteris Paribus ein Kausalzusammenhang zwischen der Hypothese, dass Remote Teams mindestens so wirtschaftlich sind wie klassische Teams.

Leider habe ich und Schermutly laut seinem Post bei Linkedin noch keine derartige Studienlage gefunden.

Klar ist für Schermutly, dass Homeoffice alleine nicht bereits NewWork bedeutet (das soll der vorliegende Artikel ebenfalls in keiner Weise suggerieren). Das erklärt er unter anderem in einem Gespräch mit Stefan Scheller.

Schermutlys Beschreibung, dass Remote Arbeit kein Fortschritt im Sinne von NewWork sei, da es sie schon im Mittelalter gab, halte ich für schwierig. Man bekommt den Eindruck, NewWork brauche das Office. Dagegen spricht schon die reine Definition: Wenn NewWork zu mehr Selbstbestimmung der Mitarbeiter führen soll, ist kann es weder einen Zwang für Homeoffice noch für das Office geben. Der Mitarbeiter muss selbstbestimmt entscheiden können, ob er eher in einem Remote Team arbeiten möchte, oder es vorzieht, mit den Kollegen im Office.

Ich werde die Entwicklung der empirischen Fakten aus der Wissenschaft im Auge behalten und berichten, sobald sich Studien ergeben, die analysieren, wie echte Remote Teams im Vergleich abschneiden.

Konklusion zum Thema Remote Arbeit

Ein reines Remote Team konnte ich selbst bereits erfolgreich aufbauen. Will man in harten Metriken ausdrücken, was Erfolg bedeutet, so sind es wohl Werte wie Zusammenhalt, Befinden, Motivation, Krankheitszahlen, Produktivität, Zuverlässigkeit. In dem Remote Team um unser agiles Planungtool sind all diese Werte top. Die sogenannte „Lead Time for Changes“ ist in diesem Team zum Beispiel sogar weit überdurchschnittlich.

Ich sehe keinen Grund, dies nicht reproduzieren zu können. Auch wenn sich nicht jedes Team durch Change Management in ein reines Remote Team überführen lässt. Das muss es aber auch nicht.